Ask the Coach #35 – Ist Negativ-Bankdrücken die beste Übung für die Brust?

Ask the Coach #35 – Ist Negativ-Bankdrücken die beste Übung für die Brust?

Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen beantwortet. Das gleichnamige Buch ist im Riva Verlag erschienen und direkt hier auf Amazon erhältlich.

Frage: Guten Tag Herr Unsöld. Ich würde gerne Ihre Sicht erfahren zur Übung Negativ-Bankdrücken mit der Langhantel für die Entwicklung der Brustmuskulatur. Heutzutage sieht man diese Übung in fast keinem Fitnessstudio mehr und auch wenn ich Trainingsvideos von professionellen Bodybuildern ansehe benutzt niemand diese Übung. Ich habe jedoch mal ein Video von Dorian Yates gesehen, in dem er die Funktion des Brustmuskels (Pectoralis Major) erklärt und dann meint dass der Bewegungsablauf im Negativ-Bankdrücken dieser Funktion am nächsten käme und er den grössten Teil seiner Karriere mit dieser Übung seine Brust aufgebaut hat und erst später zum klassischen Schrägbankdrücken gewechselt hat zur Schwachstellen Bearbeitung. Jordan Peters, ebenfalls Bodybuilder aus UK – mit unter einer der besten Brustentwicklung, die ich je gesehen habe, meinte auch beim Negativ-Bankdrücken sei gemäss EMG-Messung die Aktivierung der Brust am höchsten, zu dem sei man in diesem Winkel am stärksten betreffend dem Gewicht, dass man verwenden könne. Ich wäre sehr froh um eine Einschätzung dieser Übung als Hauptübung im Trainingsplan für die Entwicklung der Brust. Ich schätze Ihre Artikel und ihr Wissen sehr und bin ein grosser Fan ihrer Bücher, vor allem das über die Kniebeuge! Freundliche Grüsse, Thomas H. 

WU: Das ist eine sehr gute Frage. Im Modul 2 der YPSI Trainer B-Lizenz gehe ich im Detail auf verschiedene Übungen und ihre Ausführung sowie ihren Einsatz in der Trainingsplanung ein. Das Negativ-Bankdrücken ist eine der Übungen auf die ich immer sehr detailliert eingehen. Der Grund dafür ist das hier Theorie und Praxis weit auseinander liegen. Grundsätzlich, alle Aussagen oben zur Übung sind korrekt. Das Negativ-Bankdrücken rekrutiert viele Fasern des Brustmuskel und erlaubt hohe Trainingsgewichte. Ebenfalls ist es korrekt das aus Sicht der funktionellen Anatomie der Brustmuskel vier primäre Funktionen hat, drei davon sind die Adduktion (zur Körper hinziehen), die Anteversion (zum Bauch hin) sowie die Innenrotation des Oberarmknochens. Die vierte Funktion ist die Schulterflexion. Diese ersten drei Funktionen werden genutzt  wenn man die Arm nach vorne unten vor den Körper bringt und die Daumen zueinander dreht, wie beim Negativ-Bankdrücken. So entsteht eine hohen Kontraktion des Brustmuskels und in Kombination mit den höheren Lasten eine hohe Rekrutierung der Muskelfasern.

Zu den beiden Bodybuildern ist meine erste Frage, ob diese nur wissen ob das Negativ-Bankdrücken diese Funktion hat, oder ob sie tatsächlich konstant und progressiv diese Übung verwendet haben, um ihre Brustmuskulatur aufzubauen. Ersteres wäre meine Vermutung. Selbst für den Fall, dass die beiden tatsächlich Negativ-Bankdrücken als die Basis ihres Brust-Trainings verwendet haben, wären sie nur Ausnahmen in der Welt des Bodybuilding, da die absolute Mehrheit der Bodybuilder ihre teils ausgezeichnete Brustmuskulatur ohne jegliches Negativ-Bankdrücken sondern primär durch Bankdrücken auf der Flachbank und Schrägbank entwickelt haben. Prominente Beispiele sind Markus Rühl mit 280kg Flachbankdrücken mit breitem Griff, Dennis James mit 260kg Schrägbankdrücken und Ronnie Coleman mit 220kg Schrägbankdrücken für Wiederholungen, sowie tausenden weiteren Bodybuildern deren primäre Brust-Übungen das Flach- und Schräg-Bankdrücken waren.

Nun zur Praxis, das Negativ-Bankdrücken hat seine klaren Vorteile, vor allem durch die hohe Rekrutierung der Fasern der Brustmuskulatur sowie durch die höheren Gewichte, die im Vergleich anderen Drück-Übungen verwendet werden könne.

Nichtsdestotrotz verwende ich Negativ-Bankdrücken nicht, basierend auf folgenden 3 Gründen:

1. Notwendigkeit einer speziellen Negativbank – Ein reguläre Flachbank, die durch einen Step auf einer Seite erhöht und so zur Negativbank umgebaut wird, ist eine häufig verwendete Lösung. Der große Nachteil hierbei ist, dass bei höheren Gewichten der Torso dazu tendiert auf der Bank nach unten zu rutschen. Dies bringt ein großes Sicherheitsrisiko mit sich. Eine spezielle Negativbank, hat ein Fußpolster in das man den Unterschenkel einhaken kann, so das das Rutschen auf der Bank verhindert wird, diese ist jedoch in vielen Studios nicht vorhanden.

2. Position des Kopfs – Auf der Negativbank ist die Position des Kopfes konstant unterhalb des Herzens was die Kreislaufbelastung der Übung erhöht und somit den neuralen Drive reduziert. Ebenfalls steigt der Blutdruck bei dieser Übung unverhältnismäßig hoch an was unter bestimmten Umständen ein Risiko mit sich bringt.

3. Position der Schulter – Eine optimale und natürliche Position der Schulter bzw. der Schulterblätter ist „hinten und unten“. Diese Position bringt die höchste Sicherheit, geringste Verletzungsanfälligkeit sowie den natürlichsten Bewegungsablauf im Schultergelenk und damit den größten und nachhaltigsten Trainingsfortschritt. Auf einer Negativbank wird die Schulter und die Schulterblätter nach oben (aus der Sicht eines aufrechten Torsos) und vorne gedrückt. Dies bringt ein höheres Sicherheitsrisiko sowie eine suboptimale Rekrutierung von Schulterblatt-stabilisatoren und – fixatoren mit sich. Auf der Negativbank ist es, vor allem bei höheren, trainingsrelevanten Gewichten nicht möglich eine optimale Position von Schulter und Schulterblättern aufrecht zu erhalten. So steigt ihr bei regelmässigen Training das Verletzungsrisiko von Schulter- und Nackenmuskulatur unverhältnismässig an.

Diese drei Punkte sind die Gründe die Negativ-Bankdrücken zu einer weniger attraktiven Übungen machen.

Nichtsdestotrotz ist es für die Entwicklung optimaler muskulärer Balance entscheidend die Brust-, Trizeps- und Schultermuskulatur auch in diesem Bereich zu trainieren. Die ideale Übung dafür und die primäre Form des „ Negativ-Bankdrücken“, das ich in der Trainingsplanung verwende sind Dips. Dips eliminieren alle drei oben genannten Punkte und sind eine ausgezeichnete Übung, für Trainierende im moderat fortgeschrittenen bis fortgeschrittenen Bereich, um den identischen Bewegungsbereich des Negativ-Bankdrücken zu trainieren.

Viel Erfolg mit Dips!

Bild: IFBB Bodybuilder Sven Knebel bei Dips im YPSI.

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