Ask the Coach #15 – Wo ist die Überkopfkniebeuge?

Ask the Coach #15 – Wo ist die Überkopfkniebeuge?

„Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen beantwortet. Das gleichnamige Buch ist direkt hier auf Amazon erhältlich.

Frage: Dein neues Buch hab ich sehr gern gelesen. Praxisnah, flüssig, kurzweilig und auf das Wichtigste reduziert. In 2h war ich durch. Und ich habe eine ganze neue Anregungen und Tipps für mein Training mitgenommen. Das hat mir sehr gut gefallen. Eine Sache die mich jedoch gewundert hat. ist warum es kein Kapitel zur Überkopfkniebeuge gibt. Die Überkopfkniebeuge ist ja aktuell sehr populär. Warum steht zu ihr nichts im Buch? Michael

WU: Ich verwende die Überkopfkniebeuge (engl. overhead squat) regelmässig. Jedoch nie als Übung im Training. Sondern ausschliesslich für das Assessment der Mobilität. Die Überkopfkniebeuge ist genau genommen der beste weil effizienteste Screen zur Bestimmung der Mobilität aller relevanten Hauptgelenke – Sprunggelenk, Hüfte und Schulter. Kein anderer Screen gibt in so kurzer Zeit einen so tiefen Einblick in die Mobilität all dieser primär relevanten Gelenke.

Wieso ist die Überkopfkniebeuge jedoch nicht in „Die perfekte Kniebeuge“ gelistet?

Das Buch hat das Ziel einen praxisnahen Einblick in das Thema Kniebeuge zu geben. Die Überkopfkniebeuge als Assessment sprengt den Rahmen eines Buches da die Bewertungen und Interpretation dieses Screens sehr in die Tiefe geht was definitiv eine praktische Komponente des Lernens nötig macht. Kein Buch kann im Detail die Verwendung der Überkopfkniebeuge als Assessment-Tool so tief erklären, das der Leser alle Details und den Übertrag in die Praxis vollständig mit nimmt. Hierfür verwendete ich während des Modul 5 der YPSI Trainer Lizenz über eine Stunde mit Erklärungen zu Interpretation sowie sehr viele Praxisbeispielen bei denen jeder Teilnehmer eine Überkopfkniebeuge mit einem Basisstil ausführt und alle Teilnehmer diesen dann analysieren für einen doppelten – da direkten und indirekten – Lerneffekt für alle Teilnehmer. Je technischer ein Lernziel, desto entscheidender ist die praktische Komponente beim Erlernen. Die Überkopfkniebeuge tangiert das Thema Kniebeuge nur am Rande, da die Überkopfkniebeuge ein globales Assessment ist. Thema wie Varianten, Techniken, Methoden, Tools und Periodisierungsbeispiele sind hier viel entscheidender und praxisrelevanter. Und die Überkopfkniebeuge als Assessment ist ein sehr komplexes, technisches Thema, das deswegen grundsätzlich den Rahmen eines Buchs sprengt.

Wieso verwende ich die Überkopfkniebeuge nicht als Übung im Training? 

Die Überkopfkniebeuge verwende ich nie im Training da sie einen zu geringen Trainingseffekt bei zu hohem Verletzungsrisiko mit sich bringt. Der zu geringere Trainingseffekt basiert primär darauf, dass die Adaptionen von Muskulatur und Nervensystem durch Krafttraining primär durch Spannung auf dem Muskel stimuliert werden. Diese Spannung entsteht durch die Verwendung von externem Widerstand, der für seine Trainingsrelevant nahe im 1RM liegt. Mit 40kg Kniebeugen zu machen steigert den 1RM nicht von 110kg auf 120kg. Mit 100kg Kniebeugen zu machersteigert jedoch sehr zuverlässig den 1RM von 110kg auf 120kg. Wenn jemand nun Kniebeugen mit 100kg mache, ob die 100kg auf dem oberen Rücken liegen oder überkopf gehalten werden hat einen geringeren Effekt auf die Spannung in der primär trainierten Muskulatur, dem Qaudrizeps, Beinbizeps, Gesäß und unteren Rücken. 100kg auf dem Rücken wie bei der Kniebeuge oder dem Schlüsselbein wie bei der Frontkniebeuge zu legen ist jedoch deutlich einfacher und vor allem sicherer als 100kg entweder mit einem breiten Griff überkopf zu stossen und dort zu halten oder sogar mit gestreckten Armen und einem breiten Griff aus dem Rack zu heben. Die Fähigkeit für den Unterkörper trainingsrelevantes Gewicht sicher in diese Position zu bringen und dort zu stabilisieren ist somit klar limitierend. Ein geringeres Gewicht zu verwenden kann ein relevanten, wenn auch geringen da isometrischen Trainingsreiz auf den Schultergürtel zur Folge haben. Ein geringeres Gewicht hat jedoch keinerlei trainingsrelevanten Effekt auf die primäre Muskulatur rund um Knie und Hüfte. Somit eigenet sich die Überkopfkniebeuge nicht um global und lokal Kraft und Muskel in der primär relevanten Muskulatur aufzubauen.

Dies macht die Überkopfkniebeuge zu einem ausgezeichneten Assessment. Jedoch gleichzeitig zu einer Übung die keinen Platz im Training findet, das sich nicht sicher und progressiv mit trainingsrelevanten Gewichten trainiert werde kann.

Wie für Vieles gibt es auch hier Ausnahmen, so kann die Überkopfkniebeuge als Disziplin in das Training für Crossfit integriert werden, wo 40-60kg in der Überkopfkniebeuge oftmals auf Zeit oder Wiederholungen bewegt werden müssen. Und von einigen wenigen Trainingssystemen des Gewichtheben wird die Überkopfkniebeuge auch als Assistenzübung für das Reissen in die Hocke zu einem sehr fortgeschrittenen Zeitpunkt sporadisch in das Training integriert wenn dies der limitierende Faktor eines einzelnen Gewichthebers ist.

Viel Erfolg mit der Überkopfkniebeuge als Assessment!

Wolfgang’s neustes Buch „Die perfekte Kniebeuge“ ist direkt hier  im YPSI Online Shop sowie bei bei Amazon (inkl. Prime und Kindle) erhältlich

Du hast eine Frage für die „Ask the Coach“ Kolumne, dann stell sie unten in den Kommentaren und mit etwas Glück wird Deine Frage für einen der kommenden Posts oder das nächste „Ask the Coach“ Buch ausgewählt.

Bild: YPSI Coach und MMA Pro Mert Özyildirim bei der Überkopfkniebeuge mit einem Besenstil.

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