„Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen beantwortet. Das gleichnamige Buch ist am 13.Februar 2017 im Riva Verlag erschienen. Du kannst es direkt hier auf Amazon bestellen.
Frage: Welches Training empfiehlst und verwendest du mit deinen Kunden und Athleten im YPSI um die Stabilität der Gelenke zu verbessern? Klassische Stabi-Übungen oder Vibrationstraining oder etwas ganz Anderes?
WU: Stabilität im Alltag und im Sport ist entscheidend um Verletzungen vorzubeugen und Trainingsleistung zu maximieren. Je höher die Stabilität desto höher der Poweroutput – denn du kannst keine Kanone von einem Kanu abfeuern – und desto geringer Abnutzung an Faszie und Muskulatur.
Beim Training von Stabilität muss als erstes zwischen Stabilität unter geringeren Lasten (engl. Low Load Stability) und Stabilität unter hohen Lasten (engl. High Load Stability) unterschieden werden. Einbeinig auf einer Vibrationsplatte zu stehen, trainiert Stabilität mit einer geringen Last – dem Körpergewicht. Im Detail habe ich mich zum Training auf Vibrationsplatten hier schon geäussert. Selbiges gilt für fast alle Übungen mit eigenem Körpergewicht, insbesondere für die Übungen bei denen man liegt oder kniet.
Wenn man lossprintet, aus vollem Lauf abbremst oder einfach nur joggen geht (Belastung pro Bein pro Schritt das 4-6-fache des Körpergewichts) wirken hohe bis sehr hohe Kräfte/Lasten auf den Körper. Auf einem Bein stehend das Knie stabilisieren zu können, hat nichts damit zu tun das Knie unter hoher sportlicher Belastung wie beim Sprinten, Rennen, Abbremsen oder Richtungswechsel stabilisieren zu können. Das ist wie wenn Porsche die Bremsen des GT3 bei Schrittgeschwindigkeit testen würde, um dann darauf zu schließen, welche Leistung sie bringen, wenn das Auto auf der Rennstrecke vor der Kurve in 3s von 180km/h auf 50km/h heruntergebremst werden muss. Kurz: Äpfel und Birnen werden verglichen. Im Alltag und Sport ist nahezu ausschließlich Stabilität unter hohen Lasten entscheidend für optimale Verletzungsprävention und maximale Leistung.
Ein weiterer Faktor für optimale Stabilität ist optimale Mobilität. Einen Muskel bzw. Gelenk über seinen vollen Bewegungsradius zu trainieren ist entscheidend um Stabilität über diesen Radius aufzubauen. Zwei einfache Beispiele sind zum einen halbe Kniebeugen, bei denen die Kniebeugung nur über die Hälfte des Bewegungsradius ausgeführt wird. Muskulär wird dadurch mehr Vastus Lateralis rekrutiert, was den Vastus Medialis, der primär in der obersten 15° der Kniestreckung und unter 90° Kniebeugung rekrutiert wird, im Verhältnis schwächt. Da der Vastus medialis einer der beiden entscheidendsten Kniestabilisatoren ist, destabilisieren somit halbe Kniebeugen das Knie.
Ein zweites Beispiel ist die Stabilität der Schulter. Der am häufigsten vernachlässigte Bewegungsbereich der Schulter sind Überkopf-Bewegungen. Mangelnde Mobilität in diesem Bereich führt automatisch zu mangelnder Stabilität. Ein Grund dafür, warum Langhantel Nackendrücken eine meiner primären Übungen ist um Schultermobilität und -stabilität wiederherzustellen.
Fazit: Die Basis für Stabilität ist Mobilität. Stabilität bei hohen Lasten muss mit hohen Lasten trainiert werden. Klassisches Krafttraining mit Lang- und Kurzhanteln und progressivem Widerstand ist dafür die effizienteste Methode.
Viel Erfolg beim Training der spezifischen Stabilität!
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Bild: YPSI Coach Goran Sirovina bei LH Front Quad Squats mit 141kg. LH Front Quad Squats sind eine fortgeschrittene Übung bei der die primären Kniestabilisatoren mit hohen Lasten über eine hohen Bewegungsbereich trainiert werden. LH Front Quad Squats machen die Knie kugelsicher.