Die Entwicklung des Internet hat einen großen Effekt auf viele Bereiche des Lebens. In Bezug auf Krafttraining ist dieser Effekt so groß, dass sich der komplette Weg der Wissensbeschaffung verändert hat. Von Büchern, Magazinen und dem einen Trainer in seinem Gym hin zu Millionen von Artikeln, Blog-Posts, Foren, Kommentaren und Videos. Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte hatten Trainierende einen so großen Zugang zu Informationen über Krafttraining. Basierend auf dem Prinzip, dass mehr Informationen zu besserem Training und damit mehr Fortschritt führen, sollten wir heute mehr fortgeschrittene Trainierende als jemals zuvor in allen Gyms der Welt sehen. Das Gegenteil ist der Fall.
Einer der Gründe dafür ist die Verbreitung von Chauffeur-Wissen. Den Begriff des Chauffeur-Wissens habe ich das erste Mal bei Autor Rolf Dobelli gehört, der bei diesem Begriff und einigen anderen Anekdoten auf Charlie Munger, den Geschäftspartner von Investment Tycoon Warren Buffet, und sein Buch „Poor Charlie’s Almanack“ verwiesen hat. Dort erzählt Munger die Geschichte von Max Planck, dem Begründer der Quantenphysik. Dieser ging nach seinem Gewinn des Nobelpreis im Jahr 1918 auf Tour durch Deutschland um vor den Zeiten des Fernsehen und dem Internet analog seine Erkenntnisse auf einer Seminarreise mit seinen Zuhörern zu teilen. In jeder Stadt in die er eingeladen wurde, hielt er denselben Vortrag zu seinen Erkenntnisse der Quantenpyhsik. Sein Chauffeur, der ihn durch Deutschland fuhr, kannte nach einiger Zeit diesen Vortrag auswendig. Und unterbreitete Planck folgenden Vorschlag: „Es muss Ihnen langweilig sein, Herr Professor Planck, immer denselben Vortrag zu halten. Ich schlage vor, dass ich das für Sie in München übernehme und Sie sitzen in der ersten Reihe und tragen meine Chauffeur-Mütze. Das gäbe uns beiden ein bisschen Abwechslung.“ Max Planck war amüsiert und einverstanden, und so hielt der Chauffeur vor einem hochkarätigen Publikum den langen Vortrag zur Quantenphysik. Nach dem Vortrag meldete sich der erste Zuhörer mit einer Frage. Der Chauffeur antwortete direkt: „Nie hätte ich gedacht, dass in einer so fortschrittlichen Stadt wie München eine so einfache Frage gestellt würde. Ich werde meinen Chauffeur, der in der ersten Reihe sitzt, bitten, die Frage zu beantworten.“
Basierend auf dieser Geschichte gibt es zwei primäre Formen von Wissen:
Das Chauffeur-Wissen – Das Wissen, das man sich ohne oder mit wenig Praxis durch lesen und zuhören aneignet.
Das echte Wissen – Das Wissen, das man mit einem großen Einsatz von Praxis, Zeit, Arbeit, Mühe, Selbstkritik und Denkarbeit aufgebaut hat.
Die Chauffeure im Sinne von Charlie Munger’s Geschichte sind somit Menschen, die so tun, als würden sie wissen. Es fehlt Ihnen jedoch an tatsächlicher praktischer Erfahrung und dementsprechend der Tiefe und praktischen Anwendung des Wissens. So das das Chauffeur-Wissen, das sie verbreiten, voller Lücken und geprägt von mangelnder Effektivität und Erfolg in der Realität ist.
Sich echtes Wissen anzueignen ist ein langer, mühsamer Weg geprägt von vielen Versuchen, konstanter Analyse, Selbstkritik, Niederschlägen und schlussendlich Erfolgen. Ein Prozeß, der einfach zu umgehen ist, wenn man sich die doch wesentlich schnellere und einfachere Anhäufung und Verbreitung von Chauffeur-Wissen konzentriert. So gibt das Internet jedem eine Platform, der sein Chauffeur-Wissen (meist populistisch) verbreiten möchten. So ist das Internet voll von Chauffeur-Wissen. Chauffeur-Wissen, das in der Praxis voller Lücken ist.
Die Differenzierung zwischen Chauffeur-Wissen und echtem Wissen, vor allem im Kontext von Krafttraining im Internet ist entscheidend, um Strategien, Methoden und Trainingssystemen zu wählen, die tatsächlich, konstant und nachhaltig Fortschritte im Training ermöglichen.
Simple, but not easy. Einfach, jedoch nicht leicht.
Viel Erfolg beim Identifizieren von Chauffeur-Wissen!
Charlie Munger’s Buch „Poor Charlie’s Almanack“ gibt es bei Amazon
Bild: Ein Auto für einen Chauffeur.