Ask the Coach #61
Frage: Auf Instagram habe ich gehört, dass eine größere Mahlzeit am Abend mit mehr Kohlenhydraten, so wie du es empfiehlst, die Herzfrequenz steigen lässt und einen negativen Effekt auf den Schlaf hat. Stimmt das?
Antwort: Ein Teil der Aussage ist korrekt, ein anderer entscheidender Teil jedoch nicht.
Schauen wir uns die Aussage im Detail an und beleuchten die wesentlichen Aspekte für die Praxis:
Steigt die Herzfrequenz nach einer größeren Mahlzeit am Abend?
Ja, das ist richtig.
Nach einer Mahlzeit steigt die Herzfrequenz leicht an. Dieser Effekt wird als postprandiale Tachykardie bezeichnet und ist eine normale körperliche Reaktion.
Warum passiert das?
Nach einer Mahlzeit benötigt der Verdauungstrakt mehr Blutfluss, um Nährstoffe aufzunehmen und die Verdauung voranzutreiben.
Um diesen erhöhten Blutbedarf im Verdauungstrakt zu decken, erhöht das Herz die Frequenz leicht, um den Blutdruck im gesamten Körper aufrechtzuerhalten.
Dieser Prozess wird primär vom parasympathischen Nervensystem gesteuert, das für Entspannung und Regeneration verantwortlich ist.
Die Herzfrequenz steigt in der Regel um etwa 5–10 Schläge pro Minute an.
Das ist ein normaler, physiologischer Prozess.
Diese 5 - 10 Schläge pro Minute müssen natürlich in den Kontext gesetzt werden, da selbst eine moderate Stressreaktion den Puls um 50 Schläge und Sport den Puls sogar um über 100 Schläge ansteigen lassen kann.
Hat diese Steigerung der Herzfrequenz einen negativen Effekt auf den Schlaf?
Nein.
Warum nicht?
Diese Herzfrequenzsteigerung ist eine normale Anpassung des Körpers und keine Stressreaktion.
Das parasympathische Nervensystem fördert gleichzeitig die Verdauung und Entspannung.
Die Herzfrequenz normalisiert sich typischerweise innerhalb von 30–120 Minuten, je nach Größe und Zusammensetzung der Mahlzeit.
Eine größere Mahlzeit am Abend ist somit sogar positiv, da sie durch die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems den Körper optimal auf den Schlaf vorbereitet.
Entscheidend ist natürlich, dass die Mahlzeit nicht zu schwer, unverträglich oder je nach individueller Präferenz auch nicht zu spät eingenommen wird, da dies den Schlaf beeinträchtigen könnte.
Ist die Steigerung der Herzfrequenz eine Stressreaktion?
Nein, diese Herzfrequenzsteigerung ist keine Stressreaktion, wie sie vom sympathischen Nervensystem ausgelöst wird.
Stattdessen wird sie primär durch das parasympathische Nervensystem verursacht, das den Körper in den Ruhe- und Verdauungsmodus versetzt.
Das macht die Steigerung gerade am Abend grundsätzlich positiv, da sie den Körper entspannt und auf regenerativen Schlaf vorbereitet.
Die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems am Abend spielt eine zentrale Rolle bei der Ausschüttung von Melatonin und Wachstumshormon (HGH).
Beide Hormone sind, gemeinsam mit weiteren, maßgeblich für die Qualität und Effektivität des Schlafs verantwortlich.
Melatonin sorgt für das Einleiten und Aufrechterhalten des Schlafs, während HGH die nächtliche Regeneration und Zellreparatur unterstützt.
Eine optimale Aktivierung des parasympathischen Nervensystems, wie durch eine grössere Mahlzeit, fördert somit einen erholsamen und regenerativen Schlaf.
Was bedeutet eine „großere Mahlzeit“?
Eine größere Mahlzeit am Abend ist relativ und sollte im Kontext des individuellen Tagesbedarfs betrachtet werden.
Eine größere Mahlzeit kann sich auf das Volumen der Nahrung oder die Kalorienmenge beziehen.
Wenn der Großteil der Kohlenhydrate nach dem Training und am Abend konsumiert wird, wie ich in der YPSI Diät empfehle, ist das Volumen und die Kalorienmenge der Abendmahlzeit grundsätzlich höher.
Hier eine beispielhafte Verteilung der Kalorien über den Tag um das zu veranschaulichen:
15 % der Kalorien zum Frühstück
10 % auf Snacks
20 % zum Mittagessen
20 % im Post-Workout-Shake
35 % zum Abendessen
Basierend auf dieser Verteilung kann ein Mahlzeitenplan mit 3000 kcal so aussehen:
Frühstück: Lachsfilet (250 g) (450 kcal)
Snack: Eine Handvoll Pinienkerne (40 g) und eine Schale Himbeeren (100 g) (300 kcal)
Mittagessen: Burger-Patty (200 g) mit 100 g Erbsen und 10 g Butter (500 kcal)
Post-Workout-Shake: 75 g Proteinpulver + 75 g Kohlenhydrate (600 kcal)
Abendessen: 300 g Hack aus Huhn, 150 g glutenfreie Pasta, Tomatensosse (1200 kcal)
Das Abendessen ist hier mit Abstand die größte Mahlzeit des Tages, bleibt jedoch so bemessen, dass es nicht überladen ist.
Warum regelmäßige, angepasste Mahlzeiten wichtig sind
Vorteile kleinerer Mahlzeiten tagsüber Regelmäßige, kleinere Mahlzeiten sorgen dafür, dass das sympathische Nervensystem, das für Energie und Leistungsfähigkeit verantwortlich ist, tagsüber dominant bleibt.
Größere Mahlzeiten tagsüber können das parasympathische Nervensystem stärker aktivieren und zu Trägheit führen.
Vorteile einer größeren Mahlzeit am Abend Sie aktiviert das parasympathische Nervensystem, das Entspannung und Regeneration fördert.
Dies unterstützt die Verdauung und bereitet den Körper optimal auf den Schlaf vor.
Fazit
Nach einer größeren Mahlzeit, besonders am Abend und bei hohem Kohlenhydratanteil, steigt die Herzfrequenz leicht an – ein normaler Prozess, der als postprandiale Tachykardie bezeichnet wird.
Diese Reaktion wird durch das parasympathische Nervensystem gesteuert und ist keine Stressreaktion.
Eine gut geplante Mahlzeitenverteilung über den Tag fördert die Energie und Leistungsfähigkeit, während eine größere Mahlzeit am Abend Entspannung und Schlaf begünstigt.
„Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen zu Training & Ernährung beantwortet. Das gleichnamige Buch ist im Riva Verlag erschienen und direkt hier erhältlich.